Von Trendbrüchen und Zeitwenden

Von Trendbrüchen und Zeitwenden

Von Trendbrüchen und Zeitenwenden

Das vergangene Jahr war für uns alle voller Überraschungen. Dass die Prognosen zum Verlauf des Jahres 2022 in der Breite nicht eingetroffen sind, erstaunt jedoch nicht, sondern beschreibt vielmehr einen Courant normal, an den wir uns gewöhnen müssen.

Bedeuten die erlebten Trendbrüche nun auch eine Zeitenwende in der beruflichen Vorsorge in der Schweiz? Lassen Sie mich dieser Frage anhand zweier Entwicklungen im vergangenen Jahr auf den Grund gehen.

Zum einen geht es um die Revision der beruflichen Vorsorge. Einmal mehr – ist man geneigt zu schreiben. Sie mündet im laufenden Jahr in die heisse Phase und wird im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen wohl auch zum politstrategischen Spielball. Gemäss aktuellem Sorgenbarometer ist das Thema für die Bevölkerung viel zu bedeutsam, als dass man es zum politischen Spiel werden lassen sollte. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen haben sich National- und Ständerat auf eine gemeinsame Vorlage geeinigt. Die Positionen sind bezogen.

Damit ist die bundesrätliche Vorlage mit einer zusätzlichen dauerhaften systemfremden Umverteilung von Erwerbstätigen zu Rentnern in der beruflichen Vorsorge mit bedeutenden Mehrkosten für den Werkplatz Schweiz vom Tisch – das ist richtig so. Eine Revision um jeden Preis braucht es nicht. Unwägbar bleibt indessen das Resultat des wahrscheinlichen Referendums.

Die Asga hat sich sehr für eine nachhaltige Entwicklung der beruflichen Vorsorge im Kontext der nun verabschiedeten Vorlage engagiert. Ein neuerliches Scheitern der Reform wäre natürlich unschön. Nicht nur würde die Umverteilung von Jung zu Alt im Obligatorium in der heutigen Dimension fortgeführt. Auch würde die Chance preisgegeben, veränderte Arbeitsformen und -modelle in der beruflichen Vorsorge adäquat abzubilden. Wermutstropfen bleibt indessen die grosszügige Kompensation von Versicherten, die von der Reduktion des obligatorischen Rentenumwandlungssatzes auf neu 6% gar nicht betroffen sind.

Die verabschiedete Vorlage von National- und Ständerat würde die Entwicklung der beruflichen Vorsorge in eine vernünftige Richtung lenken. Darob aber von Zeitenwende zu sprechen, ginge dann trotzdem zu weit. Dazu würden nicht nur Verbesserungen mit Mehrkosten gehören, sondern auch längere Arbeitszeiten. Andere Länder, auch im deutschsprachigen Raum, haben diesen Weg bereits vor einiger Zeit beschritten.

Bleibt als weiteres Thema mit Potenzial zur Zeitenwende die mit Wucht eingetretene Inflation in allen bedeutenden Wirtschaftsräumen. Keine mir bekannte Quelle hat eine derart schnelle und so radikale Trendumkehr vorhergesehen. Inflation ist für niemanden gut. Sie führt zu Kaufkraftverlusten für Rentner wie für Aktive. Aber «erfreulicherweise» ist sie 2022 nicht isoliert aufgetreten, sondern wurde von einem längst fälligen Zinserhö- hungszyklus begleitet. Damit beendet ist der Irrsinn, dass die Geldleihe nichts kosten soll. Höhere Zinsen sind bei Pensionskassen willkommen. Sie führen auf der Zeitachse zu hö- heren Renditeerwartungen beziehungsweise lassen die erforderliche Sollrendite mit tieferem Anlagerisiko erreichen. Für die Bilanz der Asga bedeuten höhere Zinsen in einer ökonomischen Betrachtung tiefere Verpflichtungen. Auch die Asga hat diese Zinserhöhungen nicht vorausgesehen. Dessen ungeachtet sind wir im Rahmen der letzten Asset&Liability Studie bewusst einen Duration Gap eingegangen, indem die Laufzeit unserer Verpflichtungen hö- her ist als die Laufzeit unserer Anlagen. Trotz schmerzenden Kursverlusten von rund minus 7,5% im vergangenen Jahr hat der ökonomische Deckungsgrad auch durch die erwähnte Positionierung in der Bilanz deutlich geringer gelitten.

Inwieweit das erreichte Zinsniveau bereits als «Zeitenwende» ausgerufen werden kann, möchte ich zum heutigen Zeitpunkt offenlassen. Gleiches gilt für die Anpassung der technischen Parameter der Asga. Zum einen sind die Zinsen trotz kräftigem Anstieg noch immer sehr tief, und die Realzinsen verharren im negativen Bereich. Zum anderen ist für die weitere Zinsentwicklung entscheidend, wie schnell sich die Kerninflationsrate zurückbildet und inwieweit es den Notenbanken mit entschlossenen Zinsschritten gelingt, zu verhindern, dass sich die Inflation im Wirtschaftskreislauf als Lohn-Preis-Spirale festsetzt.